Wachstum: Wirtschaftliches Wachstum und Strukturwandel

Wachstum: Wirtschaftliches Wachstum und Strukturwandel
Wachstum: Wirtschaftliches Wachstum und Strukturwandel
 
In langfristiger Sicht wachsen alle Volkswirtschaften und im Laufe dieses Prozesses vollzieht sich ein allmählicher Strukturwandel. Einerseits vollzieht sich ein derartiger Strukturwandel von agrarisch ausgerichteten Wirtschaften hin zu Industriegesellschaften, andererseits entwickeln sich industrialisierte Volkswirtschaften immer mehr zu Informations- und Dienstleistungsgesellschaften. Als Merkmal für den Strukturwandel wird in der Regel der Rückgang insbesondere des primären Sektors wie auch des sekundären Sektors bei gleichzeitiger Zunahme des tertiären Sektors angesehen. Dabei umfasst der primäre Sektor Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und der sekundäre Sektor das Waren produzierende Gewerbe. Letzteres umfasst vor allem die Industrie (in der amtlichen Statistik als verarbeitendes Gewerbe bezeichnet), den Bergbau und das Baugewerbe. Mit dem tertiären Sektor meint man die Wirtschaftsbereiche, die den Dienstleistungssektor bilden. Meist wird dabei entweder der Anteil der jeweiligen Sektoren am Bruttoinlandsprodukt, an der Bruttowertschöpfung oder an den insgesamt Beschäftigten betrachtet.
 
Wirtschaftliches Wachstum entsteht aus den drei Quellen Bevölkerungs- beziehungsweise Beschäftigungswachstum, technischer Fortschritt und aus den Nettoinvestitionen. Diese sind auch die wesentliche Triebkraft für einen strukturellen Wandel einer Volkswirtschaft. Zusätzlich können staatliche Maßnahmen wie Förderung (z. B. Steinkohlebergbau) oder Behinderung (Ausstieg aus der Kernenergie) eines bestimmten Wirtschaftszweigs den Strukturwandel prägen. Schließlich beeinflusst vor allem die gesamtwirtschaftliche Nachfrage den Strukturwandel, wenn sich die Verbraucherpräferenzen und damit die Struktur der Güternachfrage ändert.
 
 Technischer Fortschritt und Strukturwandel
 
Produktinnovation und Prozessinnovation, Aktivitäten in der Grundlagenforschung und Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten führen einerseits zu neuen Arbeitsformen, andererseits erzeugen sie neue Produkte, die die Existenz von Unternehmen sichern. Strukturwandel ist so das Resultat eines dauerhaften Wettbewerbs um Absatzmärkte und um kostengünstigere Verfahren. Alte Produkte werden durch neue ersetzt, die entweder billiger produziert werden können oder den Bedürfnissen der Konsumenten besser entsprechen. Ein Beispiel für eine Technologie, die den strukturellen Wandel maßgeblich beschleunigte, ist der PC, der viele traditionelle Arbeitsverfahren verschwinden ließ, dafür aber bisher ungeahnte Möglichkeiten eröffnete und ganze Berufsfelder verschwinden, aber auch neu entstehen ließ und neue Wirtschaftszweige wie die Softwarebranche hervorbrachte. Strukturwandel zeigt sich auch darin, dass bislang getrennte Bereiche wie z. B. die Computer-, die Unterhaltungs-, die Medien- und die Telekommunikationsindustrie zusammenwachsen und neue Wachstumsmärkte wie z. B. das Internet entstehen.
 
 Strukturwandel und staatliche Wirtschaftspolitik
 
Der Strukturwandel kann nicht aufgehalten werden, bestenfalls verlangsamt werden. Akteure sind neben den betroffenen Interessengruppen häufig staatliche Organe. So ist der deutsche Steinkohlebergbau im internationalen Vergleich zwar völlig unrentabel, wird aber durch staatliche Subventionen weiter aufrechterhalten. Das verhindert, dass sich das Ruhrgebiet den Anforderungen an eine moderne Wirtschaft rasch anpasst. Exemplarisch ist auch die Energiewirtschaft, in der seit den 50er-Jahren die Atomenergie energisch vorangetrieben und staatlich gefördert wurde, während heute ein Ausstieg aus dieser Technologie vorbereitet wird zugunsten von alternativen Energieträgern (Solarenergie, Biomasse und Windenergie). Strukturwandel wird auch gebremst, weil sich manche Staaten bestimmte industrielle Kapazitäten etwa aus Prestige- oder Autarkiegründen erhalten wollen (z. B. Rüstungsproduktion) oder weil sozialpolitische Ziele (z. B. sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau) besser erreicht werden. Der Strukturwandel, der sich auch in zunehmender Internationalisierung (Globalisierung) offenbart, ist sowohl Argument für als auch gegen Staatseinfluss: Einerseits wird gesagt, dass es nur einem einflussreichen Staat gelinge, den Strukturwandel in eine gesellschaftspolitisch akzeptierte Richtung zu lenken. Dagegen steht die Auffassung, dass ein Zurückschrauben des Staatseinflusses durch Deregulierung und Privatisierung sowie Stärkung des Wettbewerbs die besten Garanten für einen sinnvollen Strukturwandel seien.
 
 Veränderte Qualifikationsanforderungen
 
Im Allgemeinen ist mit einem Strukturwandel, wenn er sich relativ rasch vollzieht, eine langfristige, strukturelle Arbeitslosigkeit verbunden, da bestimmte Berufe und Qualifikationen wegfallen. Über einen sehr langen Zeitraum betrachtet, führt struktureller Wandel allerdings zu einem höheren Beschäftigungsniveau. Durch den sich beschleunigenden Strukturwandel erhalten Arbeitsmarkt- und die Bildungspolitik einen wachsenden Stellenwert, indem sie vor dem Hintergrund der zunehmenden Anforderungen an die schulische und die berufliche Ausbildung und Weiterbildung sowie Umschulung neue Konzepte entwickeln muss.

Universal-Lexikon. 2012.

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